Montag, 18. Oktober 2010

Öffnungszeiten des Wohnheims - in Russland ist (fast) alles auf Verhandlungsbasis

Unser Wohnheim hat jeden Tag von 6 Uhr morgens bis 12 Uhr abends geöffnet - so ist jedenfalls die offizielle Version. Am Eingang sitzt ein Wachmann, der immer Wohnheimausweise kontrolliert. Mittlerweile kennen wir aber alle Wachmänner...
Als wir vor 3 Wochen am Samstag Abend auf eine Studentenparty wollten, sind wir leider etwas spät losgekommen. Die letzte Metro fährt um 1 Uhr in die Statdt, also sind wir gegen halb 1 aus den Zimmern aufgebrochen. Wir waren 6 Jungs: 3, die kaum Russisch können (mich eingeschlossen) und 3, die fließen Russisch sprechen, weil sie damit aufgewachsen sind. Nun ja, wir 3 "Nicht-Russen" sind vorgegangen, die anderen haben noch etwas getrödelt... Doch der Wachmann wollte uns nicht mehr rauslassen, er meinte wir könnnen um 6 wieder raus - wir haben ihm versucht zu erklären, dass dort eine Studentenparty ist, wir Deutsche sind und wir dort nur tanzen wollen. Hat nicht so wirklich funktioniert - dann kamen unsere "Russen" und haben ebenfalls noch einmal mit ihm geredet. Zumindest hat er mit uns geredet, als 2 Russen kamen und ebenfalls raus wollten hat er diese sofort wieder nach Hause geschickt. Unsere "Russen" haben dann gefragt wie man sich einigen kann und schwupps ging alles ganz schnell: Der Wachmann hat uns 3 "Nicht-Russen" rausgelassen und 2 Minuten später waren auch die anderen 3 draußen - er hat von jedem 100 Rubel (2,50 Euro) kassiert. So einfach ist das. Ihm war es nur peinlich vor den Deutschen als bestechlich dazustehen, deswegen hat er uns 3 zuerst hinausgeschickt - als ob die anderen uns das nicht erzählen würden - naja lirum larum, Hauptsache wie waren draußen! :-)
Mittlerweile haben wir noch einen galanteren Weg gefunden: Es gibt neben dem Eingang ein großes Tor, welches sich nicht ganz schließen lässt und der Spalt ist groß genug, um durchzuschlüpfen - wenn also der gute Wachmann in seiner Bude schläft sind wir immer so nett und wecken ihn nicht... :-)

russische Vorlesungen und "Prüfungen"

Nachdem ich nun schon mehr als 6 Wochen in Moskau bin und dementsprechend schon einige Vorlesungen gehört habe, folgt hier nun ein erstes Fazit zum russischen Schulsystem bzw. dem generellen Lernsystem:
Zuerst einmal die Grundinformationen: Eine Vorlesung dauert hier 1:20h, ein Seminar ebenfalls. Grndsätzlich sind alle Kurse in Vorlesungen und Seminare eingeteilt, was meiner Meinung nach erst einmal gut ist. Aber es ist nicht wirklich so, dass in den Seminaren dann der Stoff noch einmal geübt wird, dort werden eher Referate gehalten (deren Sinn oft nicht ganz klar ist und die man nicht mit deutschen Referaten vergleichen kann, weil deren Inhalt nicht besonders anspruchsvoll ist: So habe ich 3 Referate im Fach Wirtschaftsprüfung gehört, die sich mit den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der verschiedenen Unternehmen in verschiedenen Branchen in Russland beschäftigt haben. Das heißt, jeder Vortrag ging über die 50 größten Unternehmen einer Branche und alle Informationen, die man zu dem Unternehmen bekommen hat, war der Name, der Sitz (ganz lustig, die Zentrale von AIG (dem großen Versicherungskonzern, der in der Finanzkrise heftig unter die Räder gekommen ist und den die amerikanische Regierung mit viiiel Geld retten musste) ist angeblich in Moskau - so ein Quatsch!!!) sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft(en), die den Jahresabschluss prüft / prüfen. Waaaahnsinnig interessant...
Wie läuft also eine Vorlesung ab? im Prinzip sitzt der Professor vorne und diktiert den Studenten, was sie aufschreiben sollen. So geht das 80 Minuten lang. Eine Professorin hat PowerPoint Slides (deren Ausgestaltung aber graphisch absolut unmöglich ist, da bekommt man ja Augenkrebs beim Lesen...), droht aber immer wieder an, dass alle schreiben müssen, wenn sie nicht aufpassen... :-D Es werden kaum Fragen gestellt, es beschränkt sich alles nur aufs hinhören und schreiben - das ist Teil der russischen Kultur, Anweisungen werden einfach ausgeführt ohne sie kritisch zu hinterfragen...
Die generelle Arbeitshaltung ist hier nicht so bombastisch: Die meisten Studenten reden miteinander (sogar über 2 Bänke hinweg), hören LAUT Musik, lesen Zeitschriften (vor allem die weiblichen Geschöpfe), schlafen (und das auch wirklich auffällig die ganze Vorlesung über) oder schauen einen Comic auf ihrem iPad, wie letztens eine Studentin neben mir. Ich konnte den Professor kaum noch verstehen, aber da ich sowieso nicht viel verstanden habe (weder von dem Thema noch vom Film) wars mir egal... Was sagen die Professoren dazu? Hmm, wenn sie es merken kommt es auch mal vor, dass sie einen rausschmeißen. Aber meistens habe ich das Gefühl, dass sie es einfach ignorieren. Sowies macht jeder was er will. Das Handy klingelt oder piepst laut mitten in der Vorlesung, die Leute gehen zum Telefonieren aus dem Raum raus, sogar die Professoren telefonieren in der Vorlesung (oh ja, das kommt pro Vorlesung ungefähr einmal vor), sagen dann zwar immer, dass sie in der Vorlesung sind aber naja, schlechtes Vorbild.
Was Tests angeht wird hier gnadenlos betrogen. Der Professor / die Professorin bittet die Studenten alle Sachen vom Tisch zu nehmen und teilt die Blätter aus, sie setzt sich hin und schwupps sind alle Sachen wieder auf dem Tisch. Es wird sich über 2 Tischreihen hinweg über Lösungen ausgetauscht und schamlos aus den eigenen Heften abgeschrieben. Eine Studenten wurde dabei erwischt, lediglich gebeten das Heft wegzupacken und als sich die Professorin wieder gesetzt hat, war das Heft schwupps wieder auf dem Tisch... :-D Ist schon witzig, wenn man die Leute beobachtet (ich habe nicht mal die Fragen verstanden und konnte deswegen lustig in der Gegend rumschauen...).
Also alles ziemlich witzig hier - ich bin gespannt wie die Klausuren verlaufen!!! :-D